5) Mit dem Kopf hinterfragen,
mit dem Herzen antworten
Achte auf den Rat des Gewissens,
einen treueren Ratgeber hast du nicht. (Sirach 37.13)
Fragen
Warum ist die Banane krumm?
Ein viel zitiertes Beispiel für die Neugier der Kinder, aber auch für nervige Fragen, die nicht weiter bringen. Denn, in der Tat, fragen kann konstruktiv oder auch destruktiv sein.
Fragen und Antworten sind Bälle, die wir uns im Laufe einer Konversation gegenseitig zuwerfen.
Durch sie treten wir in Beziehung zum anderen, wir lernen den anderen kennen und lassen uns erkennen.
Oder wir verhindern, dass wir uns kennenlernen und spielen das Spiel der Vermeidung: Wir bieten eine Nicht-Beziehung an. Auch das ist eine Beziehung.
Fragen sollen idealerweise Brücken bauen. Konstruktive Fragen sind erfrischend, beleben eine Diskussion und können Türen öffnen.
In der Business Welt ist bekannt, dass man in einer verfahrenen Situation oft nach Antworten auf eine falsche Frage sucht. Was dann weiterhilft, ist, die richtige Frage zu stellen.
Oft gestaltet sich die Suche nach der Lösung eines Problems mühsam und langwierig, und man kommt nicht weiter. Was dann hilft, ist, die Situation mit Abstand zu betrachten und nach einer anderen Perspektive zu suchen, eine andere Frage zu stellen.
Auch für die Wissenschaft ist die richtige Frage wichtig, denn es wird nur das gesucht, wonach gefragt wurde. Und dann gibt es noch die typischen Verständnis-Fragen, die für Kommunikation sehr wichtig sind, und die Fragen, die dazu dienen, dass wir uns in einer unbekannten Umgebung zurecht finden. Kinder lernen durch Fragen, Forscher finden durch Fragen.
Destruktive Fragen verhindern Lösungen und töten die Konversation. Sie dienen in der Regel dazu, jemanden oder eine Situation zu kontrollieren oder von etwas abzulenken. Auch Neugierfragen können destruktiv sein, wenn sie in ein Ausfragen ausarten, anstatt eine Beziehung auf gleicher Augenhöhe anzubieten.
Antworten
Im Umgang mit Fragen ist es wichtig,
nur konstruktives Fragen zuzulassen, beziehungsweise zu beantworten,
zu prüfen, ob es die richtigen Fragen sind,
mit dem Herzen zu antworten.
Mit dem Herzen zuhören und mit dem Herzen antworten - wer das kann, verbreitet eine Atmosphäre von Vertrauen und Sicherheit. Menschen entspannen sich und öffnen sich. Beziehungen gelingen. Es entsteht einen Raum, in dem Heilung geschehen und Kreativität sich entwickeln kann.
Was hindert uns daran, immer so offen und aufmerksam mit dem anderen und mit uns selber umzugehen? Es sind in der Regel Ängste und alte Verletzungen, die uns daran hindern, uns für unsere Gefühle und für den anderen zu öffnen. Wer frei davon ist, kann dem anderen ein authentisches Du anbieten, ein wahrer Freund im Freud und Leid. Wer von inneren Mauern um sein Herz frei wird, wird - in der Sprache von Jesus - Gott schauen:
Glückselig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen - Mt 5,8.
Üben
Im Alltag können wir somit üben, mit dem Herzen zu hören, zu denken und zu antworten. Wie können wir lernen, auf das Herz zu hören?
Das Herz spricht leise. Manchmal hören wir es, erst nachdem wir lange mit einer Frage "schwanger waren", sie lange ausgehaltet haben, ihr Raum gegeben haben. Oft fällt das schwer, denn wir haben gelernt, Probleme zu lösen, antworten zu geben. Wir müssen lernen, auszuhalten, zu leben, ohne eine Antwort zu finden. Abwarten ist eine Qualität der Zeit und kein Zeitverlust!
Zuerst können wir uns vornehmen, aufzuhören, uns nach dem logischen Verstand zu richten und alles zu begründen. Wir müssen aufhören, für alles, ob Wünsche, Meinungen oder Entscheidungen, eine Begründung zu suchen. Halten Sie aus, etwas zu wollen oder zu mögen, ohne sich selber eine Begründung zu geben, warum sie es wollen oder mögen. Ignorieren Sie Ihren Affen im Kopf, der ständig redet.
Das Herz spricht (auch) durch den Körper. Haben Sie je versucht, eine Frage zu tanzen? Ich möchte Sie ermutigen, experimentierfreudig zu leben. Achten Sie auf Ihren Körper: wenn etwas gut ist, ob Entscheidung oder Meinung, fühlt sich der Körper entspannt oder vitalisiert an.
Hilfe bei Entscheidungen: Wenn Sie sich zwischen A und B entscheiden wollen, setzen Sie sich hin und entspannen Sie sich. Dann stellen Sie sich vor, Sie würden sich für A entscheiden. Wie fühlt sich Ihr Körper an? Und dann stellen Sie sich vor, Sie würden sich für B entscheiden. Wie fühlt sich jetzt Ihr Körper an? Entscheiden Sie sich für die Alternative, in der sich Ihr Körper besser fühlt.
Eine weitverbreitete Idee ist, dass Verstand und Herz in verschiedene Richtungen weisen könnten. Das stimmt nicht. Wenn man wirklich tief hinein horcht und eine Wahrnehmung für die eigene Bedürftigkeit hat, die sich dann, wenn sie sich ignoriert fühlt, als "Verstand" oder als "Liebe" verkleidet, dann entdeckt man die eigene Wahrheit, in der Verstand und Herz IMMER zusammen sind.
Wenn alle Fragen aufhören, sind wir im Ozean der Liebe gelandet.
Wegweiser dahin sind die Widerstände hinter den Fragen, und nicht Begründungen.
Verstehen
Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
- Faust I, Goethe
Was hier Goehte über den Dichter schreibt, gilt für jeden von uns: wer nicht mit dem Herzehn zuhört, der kann und wird nicht wirklich verstehen. Wenn wir merken, dass jemand nicht verstehen will, ist es besser, eine sinnlose Diskussion aufzugeben. Gute und feinfühlige Freunde können einem auf seine innere Verhärtung aufmerksam machen. Für andere wäre das eine Grenzüberschreitung; niemand will herzlos belehrt werden - am allerwenigstens verschlossene Herzen wollen das.
Intuition is the whisper of the soul. - Jiddu Krishnamurti